Was ist geschlechtergerechte Sprache?
Sprache ist alt, sehr alt. Und sie hat sich stetig mit der Gesellschaft entwickelt und gewandelt, die sie benutzt. Nur dauert das manchmal relativ lange. Die maskuline Prägung, die Sprache in einer damals* durch Männer dominierten Welt bekam, hat sich bis heute weitestgehend gehalten (Schlagwort: generisches Maskulinum). Das Bewusstsein hierfür ist mit Gleichberechtigung, Feminismus und der Akzeptanz für non-binäres Geschlecht jedoch deutlich gewachsen.
So begegnen wir immer häufiger den "Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern", "Lehrer*innen", "Nutzer:innen" und dem "Geschäftsführer (m/w/d)". Dies alles resultiert aus der Bemühung, wirklich jeden Menschen gleichermaßen anzusprechen, unabhängig von seinem Geschlecht. Werden geschlechtergerechte oder geschlechtsneutrale Formulierungen verwendet, wird dies umgangssprachlich häufig als "Gendern" bezeichnet.
Das "d" für "divers"** finden wir inzwischen in jeder Stellenanzeige. Es gibt Raum für Menschen, die sich mit der starren Zweiteilung "Frau oder Mann" – dem überholten binären Geschlechtersystem – nicht identifizieren können. Es geht also um die empfundene Geschlechtsidentität, die viele Ausprägungen haben kann. Und diese Diversität ist ein guter Grund, mal einen kritischen Blick auf unseren Umgang mit Sprache und Geschlecht auf Webseiten zu werfen.
Formulare – Weniger ist manchmal mehr
Ob Newsletter-Anmeldung, Kontaktanfrage, Mietgesuch oder Login-Erstellung, für all dies werden im Internet meist Formulare genutzt. Und nicht selten findet sich in diesen Formularen noch ein Feld für die Anrede. Auch hier taucht – ähnlich wie bei den Stellenanzeigen – neben "Herr" und "Frau" inzwischen häufig der Eintrag "divers" auf. Das ist schon mal ein Schritt in die richtige Richtung. Das Landgericht Frankfurt befand eine solche dritte Wahlmöglichkeit sogar als zwingend notwendig: Es gab einer klagenden Person Recht, die bei der Fahrkartenbuchung bei der Deutschen Bahn lediglich zwischen "Herr" und "Frau" wählen konnte und sich damit eingeschränkt sah.
Bevor nun einfach in jedem Formular mit einem Feld für die Anrede eine dritte Option ergänzt wird, lohnt sich ein genauerer Blick. Wird wirklich eine Anrede benötigt? Wozu genau ist sie gut? Und geht es explizit um eine Anrede oder benötige ich vielleicht doch eher das Geschlecht? Werden hier womöglich zwei Dinge miteinander vermischt?
Fakt ist: In Formularen werden noch immer Daten abgefragt, die für den eigentlichen Zweck gar nicht notwendig sind. Möchte ich einen Newsletter versenden, benötige ich sachlich betrachtet ausschließlich eine E-Mail-Adresse. Name und Anrede sind nicht erforderlich. Für einen Newsletter lässt sich immer auch eine schöne Grußformel finden, die nicht spezifisch auf eine Person zugeschnitten ist.
Nebenbei bemerkt: Der Verzicht auf die Aufnahme von Daten, die für die Verarbeitung einer Anfrage nicht notwendig sind, ist zudem ganz im Sinne der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Wer sich seine Formulare also noch mal genau anschaut, schlägt womöglich zwei Fliegen mit einer Klappe.
Klar, in Bestellformularen werden meist deutlich mehr Angaben benötigt als in einer Newsletter-Anmeldung. Dennoch lohnt sich hier die Frage, ob eine Anrede und / oder das Geschlecht wirklich zweckdienlich sind. In einem Formular für ein Dating-Portal ergibt die Abfrage des Geschlechts Sinn, bei der Online-Bestellung von Balkonmöbeln eher weniger.
Wer explizit nach dem Geschlecht fragt, sollte genau überlegen, wie er die Antwortmöglichkeiten gestaltet. Neben "Männlich" und "Weiblich" eine weitere Option "Keine Angabe" anzubieten, ist okay, aber zählt eher als Notlösung. Der Aufgabenstellung angemessener wäre die Verwendung eines Freitextfelds, das jede denkbare Option zulässt. Ergänzt durch eine Autovervollständigung, die alle bisher verwendeten Einträge zur Auswahl anbietet, wird dies zu einer langfristigen weil vollkommen uneingeschränkten Lösung.
Kurz und knapp Formulare gendergerecht gestalten
- In Formularen alles weglassen, was nicht benötigt wird.
- Den Unterschied zwischen Anrede und Geschlecht beachten und in Erwägung ziehen, dass eine dritte Option "keine Angabe" oder "divers" nicht immer eine ausreichende Lösung ist.
Gendern im Fließtext
Während die Anpassung von Formularen relativ klar und überschaubar ist, kann die Änderung von Texten hin zu gendergerechter Sprache in vielen Internetredaktionen Fragen aufwerfen. Denn eine einheitliche Lösung gibt es nicht. Behörden und Hochschulen haben zwar mittlerweile ihre eigenen Leitfäden, aber gesetzlich gibt es keine Vorgaben zu geschlechtsneutraler oder geschlechtergerechter Sprache in öffentlich zugänglichen Texten.
Vor Konstrukten mit Sternchen, Doppelpunkt oder Unterstrich schrecken viele zurück. Aber zum einen kann der Mensch sich an diese Lösungen gewöhnen, zum anderen gibt es häufig geschlechtsneutrale Alternativen. Diese News z. B. ist durchgehend neutral formuliert – funktioniert. Das generische Maskulinum ist wirklich verzichtbar, bedarf jedoch einer Umstellung beim Verfassen von Texten. Warum immer nur Personen beschreiben, wenn man stattdessen eine Tätigkeit beschreiben und dabei auch noch gendergerecht formulieren kann? Auch gibt es häufig Synonyme, die eine neutrale Formulierung ermöglichen.
Wie kompliziert und zeitaufwendig das Gendern ist, hängt natürlich von Zweck und Umfang der jeweiligen Website ab. Es lohnt sich auf jeden Fall, einmal zu prüfen, wie viele geschlechtsspezifische Formulierungen im eigenen Internetauftritt vertreten sind. Vielleicht sind es weniger als gedacht und der Schritt hin zur geschlechtsneutralen / gendergerechten Seite bedarf nur weniger Arbeitsstunden. Oder Sie fangen klein an und formulieren die künftigen News durchgehend geschlechtsneutral. Wir finden: Einen Versuch wäre es wert!
Kurz und knapp Wagen Sie den ersten Schritt
- Fangen Sie ruhig klein an, mit der Zeit werden Sie sich an neue Formulierungen gewöhnen.
- Gendern muss nicht zwingend sprachlich unschön sein, sondern kann auch zu kreativen Lösungen führen.
Nebenbei bemerkt Unsere Fußnoten
* Dieses "damals" ist nicht so lange her, wie man gerne annehmen würde. Das Wahlrecht für Frauen ist in Deutschland z. B. erst im Jahre 1918 in Kraft getreten. Bis dahin gab es also ausschließlich Wähler, weshalb das Wort "Wählerin" im Sprachgebrauch einfach nicht notwendig war. Ähnlich verhält es sich mit sehr vielen Berufsbezeichnungen, da die entsprechenden Berufe lange Zeit ausschließlich von Männern ausgeübt werden durften.
** Laut einem Urteil von 2018 muss "divers" als drittes Geschlecht im Geburtenregister geführt werden. Im Englischen heißt es non-binary.